Sista Gracy
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>>>Sista Gracy

  1. Man feat. Gentleman
  2. Commissioner feat. Dr. Ring Ding
  3. Yardy Crew feat. Ragga Fränkie, Mephisto
  4. Tell She
  5. Shining Star feat. Dr. Ring Ding
  6. Lonesome Girl
  7. My Praises feat. Sugar Minott
  8. See Me Yah
  9. Spiritual And Humble
  10. Jah Glory
  11. What I Know
  12. Lonesome Dub
  13. Yard Dub
  14. Dub Praises
  15. Dub Star
  16. See Me Dub
  17. Spiritual Dub
  18. Dub Man

>>>Dubcity Arbeitsanteil

  • Produktion
  • Sounddesign
  • Arrangement
  • Abmischung


>>>Weitere Infos

>>>Diskographie

Herbman Band

  • “Hold tight” – LP 1987

Gracy and the Herbman Band

  • “See me yah” – CD 1991
  • “Low budget” – Maxi CD 1993
  • “Movements” – CD 1994
  • “Yardy” – CD 2007


>>>Love Is The Answer- Studio Atlantiz Dub- Video mit Sista Gracy

>>>Sista Gracy Live - Tell She

>>>Sista Gracy Live - My Light

Dubcity Referenzen ::: Sista Gracy

>>>Nuff Love in this Yard

Von Alexander Birk

Wenn Jamaikaner von „Yard“ reden, dann ist damit nicht unbedingt immer ein Innenhof, ein Garten oder eine Schrittlänge gemeint. Auf Jamaika steht Yard sinnbildlich für den Platz am Haus, wo man zusammenkommt, spielt, isst, philosophiert, musiziert – Yard ist das Zuhause, und letztendlich ein Name für Jamaika selbst. Yard-Vibes gibt es aber nicht nur auf der Karibikinsel, man kann sie auch im friesischen Ort Dangast bei Varel am Jadebusen erleben. Und das ist vor allem Verdienst einer unglaublich warmherzigen und talentierten Exiljamaikanerin: Sista Gracy!

Sista Gracy wird am 11.7.1965 in Anotto Bay, St. Mary als Marcia Braham als zweites von vier Kindern geboren. Mütterlicherseits versteht sich, denn da die jamaikanischen Väter traditionellerweise recht großzügig und verschwenderisch mit ihrem Beitrag zum Genpool der Insel umgehen, gibt es über die Provinz verstreut noch jede Menge Halbgeschwister, von denen sie mittlerweile 17 kennt. Ihre Mutter Taweedy bestreitet neben ihrem täglichen Job als Verkäuferin für Handarbeit und Souvenirs viele Abende und Nächte hindurch die Rolle der Selectress eines Soundsystems, das sie zusammen mit ihrem Ehemann betreibt, der als MC Cosa den Tanzwilligen einheizt. Musik spielt von Anfang an eine große Rolle im alltäglichen Leben. Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, steht die Tür zur Bar immer offen, und von drinnen wummert die Jukebox die besten und beliebtesten Lieder nach draußen. Überhaupt steht in jedem Shop solch eine Box, voll gepackt mit den heißesten Ska und Rock Steady Tunes, und später auch Reggae und Dancehall. Ununterbrochen liegt Musik in der Luft, ein Zauber, dem sich niemand entziehen kann. Trotzdem schlägt Sista Gracy nicht von Kindesbeinen an die Karriere als Performerin ein – die Mutter achtet darauf, dass die Kleine zur Schule geht, und nach neun Schuljahren übernimmt sie dann die Arbeit im Geschäft. Als sie 15 ist, bringt sie ihre erste Tochter zur Welt. Und so langsam kommt sie nun in Berührung mit der aktiven Seite des Musizierens. An ihren ersten Auftritt mit 16 Jahren kann sie sich noch gut erinnern:

„Ich war auf einer Party von ein paar Freunden, und natürlich lief da auch ein Soundsystem. Ich wurde ständig ermuntert, doch auch mal was zu singen. Bis da hatte ich noch nie ein Mikrophon in der Hand gehalten. Ich hatte überhaupt keine eigenen Lyrics und sang dann eine Strophe aus einem Stück von Josey Wales, und die Leute bekamen gar nicht genug von mir, und dann musste ich die Strophe wieder und wieder singen…“

Lachend erzählt sie weiter: „…allerdings war das kein Startschuss für meine Karriere – ich hatte keine Zeit, musste ja arbeiten und mich um das Kind kümmern.“

Josey Wales und Charlie Chaplin sind die Helden der Dancehall und Gracys absolute Favoriten, doch auch der Gesang von Leroy Sibbles und Bob Marley – die besonders spirituellen Lieder wurden vor allem Sonntags im Radio gespielt – beeinflussen sie sehr.

Sommer 1983 – aus allen Jukeboxes auf der Insel näselt Gregory Isaacs unablässig sein „Night Nurse“ – kommt ein junger Reggaefan nach Jamaika. Diedel Klöver, musikbegeisterter Bassist, der in seinem Dorf in Friesland selbst schon als Bassist Reggaeprojekte gestartet hat, begibt sich auf Urlausreise zu den Wurzeln seines Lieblingssounds, erst nach Montego Bay, und später dann nach Port Antonio. Die wundervolle Landschaft und die Musik sorgen dafür, dass er sich in die Insel verliebt, und im nächsten Jahr wiederkehrt, um schließlich nach Beendigen seines Zivildienstes 1985 ganze sechs Monate dort zu bleiben. Und nun passiert, was passieren muss: in einem Shop lernt er Gracy kennen, die Vibes sind sofort da! Gracy, die von Deutschland nicht mehr wusste, als dass dort ein Mann namens Hitler sein Unwesen getrieben hatte und darüber hinaus alle Einwohner blaue Augen haben, lässt sich bereitwillig eines Besseren belehren, und obwohl sie nach der Geburt ihrer zweiten Tochter eigentlich nichts mehr mit Männern zu tun haben wollte, freundet sie sich mit Diedel an und schließlich werden die beiden ein Paar. Noch im gleichen Jahr folgt sie ihm nach Deutschland und es dauert nicht lange, und sie wird Mitglied der „Herbman Band“ von Diedel, wo sie erst einmal Percussions spielt und sie etwas später, eher zufällig, mit ihren Qualitäten als Sängerin und Toasterin überzeugt. Sie beginnt, eigene Stücke zu schreiben, inspiriert von ihren Lieblingssängern und von Liedern, die sie aus der Kirche kannte.

Es ist wirklich schwer, sich der Aura der energiegeladenen Sängerin zu entziehen, die soviel Bereicherung für die deutsche Reggaeszene der achtziger Jahre mitbringt. Während andere Bands in diesem Land sich damit zufrieden geben, mit manchmal limitierten Fähigkeiten den Großen wie Culture, Burning Spear und natürlich Bob Marley nachzueifern, zeigen Gracy and the Herbman Band auf souveräne Art, wie es besser geht, und obwohl sie an der Nordspitze der Republik doch mehr als weit vom Schuss liegen, touren sie regelmäßig bundesweit und sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus. Denn eins ist ganz klar: die Band kann spielen, und die charismatische Frontfrau kann singen!

Da man sich als Ausländerin immer nur maximal ein Jahr am Stück in hiesigen Gefilden aufhalten darf, pendelt Gracy zwischen Jamaika und Dangast hin und her, und da sie es sowieso vorhatten und es vieles in der Bürokratie vereinfacht, heiraten Gracy und Diedel nach viel Papierkram schließlich 1989. Nach einem weiteren Jahr geht die Herbman Band im Paket mit Gracy und den ebenfalls hier lebenden jamaikanischen Sängern Mystic Dan und Joy White auf ausgedehntere Touren und macht sich überall beliebt und unentbehrlich, und 1991 erscheint schließlich das erste „Soloalbum“ von Gracy mit dem Titel „See Mi Yah“ auf dem deutschen Fünfundvierzig-Label, das auch sofort Absatz findet.

Unter ihren Fans befindet sich auch ein Lausbub – so sollte man die Ragamuffin hierzulande seiner Meinung nach titulieren – aus der Nähe von Mannheim, der bei den Konzerten im Umkreis von 50 Kilometern um seine Heimatstadt immer in der ersten Reihe steht und Gracy abfeiert, was das Zeug hält. Als Künstler ist er schon vielen Als Ragga Fränkie bekannt, und er soll später das erste deutschsprachige Dancehall-Album aller Zeiten herausbringen („Geld & Mehr…“). Er schließt sich der Truppe an und wird zum festen Bestandteil des Line-Ups. Die Band tourt und tourt, und im Sommer 1994 schaffen sie es bis auf das legendäre Sunsplash Festival in Kingston. Über Freunde und Bekannte hatten sie einen Weg gefunden, den Veranstaltern ihr neues Album „Movements“ zukommen zu lassen, können überzeugen und werden verpflichtet und begeistern mit ihrer Mischung aus Roots und Dancehall in Jamaikas Hauptstadt direkt nach Mutabaruka ein Publikum mit offenen Ohren und Mündern.

Bis 98/99 wird noch viel getourt, doch nehmen die alltäglichen Pflichten überhand und es wird etwas stiller, denn bei aller Popularität kann man, wenn man in diesem Rahmen musiziert, nicht wirklich seinen Lebensunterhalt bestreiten. Familie ist wichtig, Geld verdienen ist wichtig, und das ermöglicht es Gracy, ihren ganz eigenen „Yard“ in Friesland auszubauen.

Das Haus der Klövers mit dem riesigen Garten, der von den von Diedel geschweißten Kunstwerken geschmückt wird, bietet da viele Möglichkeiten. An diesem Ort finden sich alte und neu gefundene Freunde und Musikerkollegen gerne ein. Ein Ort, wo man zusammenkommt, spielt, isst, philosophiert, musiziert… denn neben allen musikalischen Künsten ist Gracy auch noch eine exzellente Köchin. Und nach einer reichhaltigen Mahlzeit mit Callaloo und Ackee, Jerk Chicken und Dumplings, und nach einem anschließenden Spaziergang am Meer musiziert es sich dann umso entspannter im Homerecording-Studio, um später den Abend bei Rum mit Sorrel-Juice und einer gepflegten Partie Domino ausklingen zu lassen.

Aus dieser entspannten Stimmung heraus entstand das neue Album „Yardy“ von Sista Gracy, das Produkt jahrelanger liebevoller Arbeit, das vor Vibes nur so überquillt. Der Titel ist die Quintessenz des Lebensgefühls, das sich in den abwechslungsreichen Tracks niederschlägt. Sista Gracy erfreut mit souligem Gesang und unterhaltsamem Deejay-Style mit wohlüberlegten und ausgefeilten Texten. Die Musiktracks wurden vor allem von Diedel produziert, gemeinsam mit Freunden und langjährigen Mitstreitern abgerundet und später von Finn Halle im Dub City Sound Studio gemixt. Als hätte Sista Gracy nicht schon genug Styles auf dem Kasten, geben sich einige ihrer Freunde in Kombination mit ihr die Ehre: Gentleman, den sie bereits Mitte der Neunziger bei einer Soundsystem Show mit Pow Pow kennen lernte, Dr. Ring Ding mit Old- und New School Styles, der deutschsprachigen Rapper Mephisto aus Hamburg, den sie über ihre Tochter kennen lernte, und natürlich Ragga Fränkie, der mit letzterem zusammen in dem Track „Yardy Crew“ den Freundschaftsgedanken auf den Punkt bringt. Knapp und deutlich hat es wohl Sugar Minott ausgedrückt, mit dem sie das spirituelle „My Praises“ im Duett singt. Nach der Aufnahmesession und der guten Mahlzeit im norddeutschen Yard fasste er treffend zusammen „Nuff Love in this House!“

Text © 2007 Alexander Birk, erschienen in Auszügen in der RIDDIM Ausgabe 05/2007.